Unser Verbindungshaus

Die Vorgeschichte zur Stockturmrenovierung
von Bernd Köhler al. Sohny


Stockturm 1974Die Antworten sind sicherlich vielschichtig, wenn man nach den Gründen für den Eintritt in eine Studentenverbindung gefragt wird.
Oft ist es nur die Neugier, die manchen von uns zu Beginn des Studiums veranlasste, sich einmal einen Kommers und das damit verbundene Treiben anzuschauen.
Das Wort einmal ist zutreffend, denn es sollte eigentlich nur "ein einziges Mal“ sein, aber man war beeindruckt von der Atmosphäre, die viele von uns dazu bewegte, öfter zu kommen und letztendlich in unsere Verbindung — das Corps Hannoverania — einzutreten.

Es ist für Unbeteiligte oft unverständlich, warum es junge Studenten gibt, die sich einem mehr oder weniger strengen Reglement "beugen", die "alte Hüte" hinter dem Schrank hervorholen, sich dem Genuss des Bieres oder Weines hingeben, sogar "Wetttrinken" veranstalten, sich gelegentlich schwarz anmalen, Farben tragen, alte Studentenlieder singen und das alles zu einer Zeit, in der sich die Menschen auf den Weg machen, den Weltraum zu erobern.
Die "Angelegenheit Verbindung" wird erst dann durchschaubar, wenn man sich mit der Sache ernsthaft beschäftigt.
Für diejenigen von uns, die 1971/72 in die Verbindung eintraten, war es nicht nur eine Sache für die Studienzeit, sondern es wurde ein Bestandteil unseres Lebens, den sicherlich keiner von uns vermissen will, auch wenn nicht alles positiv verlief.

Auf uns Füchse strömte damals eine Vielzahl von Neuigkeiten ein. Die anfängliche Schüchternheit und lsoliertheit wurde durch den offenen Kontakt zu den jüngeren Farbenstudenten schnell überwunden. Man fühlte sich bald in den Kreis "der Alten" aufgenommen. Probleme wurden nicht nur zwischen uns Aktiven offen diskutiert, sondern auch mit den AHAH (Alten Herren). Wir waren schon ein recht lustiger “Haufen“.

 

Wenn wir auch viel diskutierten, über ein Problem haben wir uns keine Gedanken gemacht: Wird es immer so bleiben? Keiner von uns Aktiven verschwendete seine Zeit darüber nachzudenken, dass viele schon im 5. oder 6. Semester waren und die große Corona langsam schrumpfte. Die Euphorie einiger Füchse war schon nach der Renoncezeit verschwunden, andere kamen nach der Burschung nicht mehr zu den Kommersen.
Es war sicherlich amüsanter, in die Disco anstatt zum Kommers zu gehen und sich keinem Reglement zu unterziehen.

Implizierte Voraussetzungen, wie diejenigen, die in den fünfziger Jahren das Corps reaktivierten Freundschaft, gegenseitige Hilfe während des Studiums und nach dem Studium, gemeinsam etwas aufzubauen, etwas zu schaffen und einiges mehr - waren bei vielen von uns sicherlich nicht gegeben. Wo die eigentliche Ursache des Desinteresses lag, egal ob die Studenten öder Jugendbewegung der 60er Jahre gewisse Auswirkungen auf uns und unsere Kommilitonen hatte, soll hier nicht erörtert werden.

Einzelne politische Begebenheiten an dieser Stelle herauszugreifen, würde an Reduktionismus grenzen!
Während unserer aktiven Zeit bemerkten wir nicht die AHAH, die trotz Beruf und Familie die immanente Absicht im Weiterbestehen des Corps Hannoverania, in der Verbindung selber sahen und auch heute immer noch sehen! Diese Programmatik hat sich bei den jüngeren AHAH, allein schon durch die Vielzahl der unterschiedlichen Farbensemester, sicherlich geändert.

Was taten unsere AHAH nun, um das Bestehen der Aktivitas zu gewährleisten?

Zunächst wurden einige von ihnen reaktiviert. Sie übernahmen Chargenposten, um den kargen Rest der Aktiven zu unterstützen und deren Zusammenhalt zu festigen. Heute meine ich, dass uns ein gewisser, für uns jedoch nicht durchschaubarer Zwang oktroyiert wurde. 
Wir bemerkten nur die absolute Bereitschaft, die Aktivitas am Leben zu erhalten.

Diese suggestive Arbeit beeindruckte uns ungewollt. 
Wenn auch langsam und nach außen nicht sofort sichtbar, wurde der bisher nur oberflächliche Zusammenhalt und das Zusammenleben zwischen uns Aktiven aufgebaut. Die Kommerse ohne die AHAH wurden lebendiger, mit ihnen waren sie besondere Abende, denen wir mit viel Freude entgegensahen und die uns viel Freude bereiteten.
Das Engagement unserer "Alten Herren", speziell aus dem Hannoverschen Gebiet, war enorm und das immer von dem festen Willen geprägt, die Verbindung am Leben zu erhalten. Hilfe von außen - durch andere Verbindungen - konnten wir nicht erwarten und haben wir auch nicht erhalten.

Gegenüber meinen früheren Überlegungen, nicht die Ursachen der Misere zu erörtern möchte ich jedoch einen Punkt erwähnen, der als Hauptursache anzusehen ist und der heute noch häufig zur Sprache kommt:

Das Verlassen der Konstanten Rühmkorffstübchen von Tante Mariechen im Jahre 1969. 

Es war für die Verbindung eine gewaltige Umstellung. Der feste Wille von Tante Mariechen, die Aktiven in allen Belangen zu fördern und zu unterstützen, sowie ihr “Machtwort‘ bei mancher Entscheidung fehlten. Es war Tante Mariechen die für viele AHAH so oft Hilfe während des Studiums leistete.

Sie war ein fester Bestandteil des Corps Hannoverania.

Aber nicht nur Tante Mariechen fehlte, sondern auch die gewohnte Umgebung des Rühmkorffstübchens, denn beide sind eng miteinander verknüpft, sogar untrennbar miteinander verbunden.

 

Maria Burg, al. Tante Mariechen
Aufnahme aus dem Jahr 1980
Tante Mariechen im Jahr 1968 im Kreis "ihrer" Hannoveranen

 



Das Rühmkorffstübchen war für viele ihr zweites Zuhause geworden. Dort traf man immer jemanden aus dem Semester und man konnte sich mit schulischen und privaten Sachen auseinandersetzen. Zudem sorgte Tante Mariechen für moralische und psychologische Unterstützung . Nicht umsonst ist gerade diese Zeit in der Erinnerung vieler lebendig, ob Corpsstudent oder nicht.

Etliche, bei denen diese Erinnerung erloschen ist, sollten sich einiger Gedanken an Tante Mariechen bequemen! Mit dem Problem des Wegganges von Tante Mariechen fertig zu werden und die Aktiven damit allein zu lassen, das Desinteresse einiger Aktiven und AHAH im Nienburger Bereich, ist auch ein Teil unserer Verbindungsgeschichte, der nicht vergessen werden sollte. Diesen Mittelpunkt, den Tante Mariechen für das Corps bildete, mussten nun die AHAH ausfüllen. Aus der Sicht der AHAH konnte das niemals gelingen, aus der Sicht der Aktivitas, denn für uns waren die AHAH der ruhende Pol der Verbindung, würde es gelingen, da wir die Zeit im Rühmkorffstübchen nicht miterlebt hatten und somit auch nicht mit unserer Situation vergleichen Konnten.


WS 1962/63
Die Konstante des Corps Hannoverania,
Gaststätte Kindermann, Lange Str.
links : Tante Mariechen

Unsere neue Konstante, das Gasthaus Witte, wurde mit der Zeit, den enger werdenden Kontakt zum Wirt Frido Vogel, für uns zum und das auch außerhalb der Kommerse.

Die Realität konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Größe der Aktivitas bei einem Nachlassen der Aktivitäten der AHAH unweigerlich zu einem Corps Hannovorania führt, das nur aus dem Altherrenverband bestehen würde . Auch der Zusammenhalt der damaligen Aktivitas hätte den nicht präventiv entgegenwirken können. Viele Lösungen für dieses Problem boten sich natürlich an. Beispiele hatten wir oftmals bei befreundeten Verbindungen gesehen: Den Mittelpunkt für die schulische, private und korporative Zusammenarbeit und den Zusammenhalt bildete für sie ein Treffpunkt, der zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar war: ein eigenes oder ein gemietetes Verbindungshaus. Gewiss, die Idee eines eigenen Hauses war nicht neu, denn schon in den 50er Jahren waren diese Gedanken in unserer Verbindung vorhanden
Kommers in der Gaststätte Witte

v.l.: Rüdiger Strahl al. Chico, Hermann Ommen al. Bobbel,
Werner Kochta al. Heizer,?????,
Berandotte Kolodziejczak al. Tamara,
Bernd Köhler al. Sohny
 
 


Unser AH Günter Wehner al. Neptun hatte sogar schon Entwürfe dafür gezeichnet. Diese Sache war jedoch nicht durchzuführen. So fest, wie vielleicht im Gegensatz zu heute, der Wille vorhanden war, sich für die Verbindung einzusetzen, so war uns jedoch illusorisch, kaum 10 Jahre mach Kriegsende ein derartiges Projekt während der Rekonstruktionsphase unseres Staates zu beginnen.

Nur wenige von den AHAH hatten sich damals bereits etabliert. Jeder war zuerst nur sich und für seinen Beruf und seine Familie verantwortlich. Soziale Sicherheit wie heute gab es nicht und lag in den eigenen Händen. Das Geld für das Studium musste zum Teil in den Ferien verdient werden und Alte Herren waren zu der Zeit ohnehin nur in geringer Anzahl vorhanden.
Mitte der 70er Jahre war die Ausgangssituation jedoch vollkommen anders! Die Vorstellungen von einem eigenen oder gemieteten Verbindungshaus nahmen Gestalt an.

Einige Überlegungen wurden angestellt, wie so ein Projekt beschaffen sein müsste:

1. Die Sache müsste einmalig sein,
2. Die Resonanz in den eigenen Reihen und in der Öffentlichkeit muss vorhanden sein,
3. Das Gebäude sollte in der Nähe der Ingenieurschule sein,
4. Die Finanzierbarkeit des Projektes muss gewährleistet sein.


Der Rühmkorffbund hatte ebenfalls keine Konstante. Eine gemeinsame Kooperation zwischen ihm und uns war damals Gespräch.

Der ehemalige Fahrradraum hinter dem Gasthaus Witte schien sich als ein geeignetes Gebäude zu erweisen. Die Kosten für den Umbau zu einem Kneipraurn waren auf ca. 20.000 — 25.000 DM veranschlagt. Durchgeführt wurde der Umbau jedoch nicht.
Müßig wäre es, hier alle Projekte und Ideen aufzuzählen, abgesehen davon, dass sie heute nur teilweise zusammenzutragen sind.
Am Ende des Jahres 1974 sollte die Diskussion über ein eigenes Verbindungshaus jedoch neuen Nährboden erhalten. Aus der Diskussion heraus entwickelten sich konstruktive Gedanken, die in die Geschichte des Corps eingingen. Eine spontane Idee löste eine Sequenz von Initiativen aus, die zu Beginn des Bauvorhabens nicht zu erwarten waren und heute wahrscheinlich nicht zu wiederholen sind.

Diejenigen, die die Renovierung des Stockturmes aktiv miterlebt haben, können sich eine Vorstellung von dem Elan der AHAH machen, die das Corps in den 50er Jahren reaktivierten.

Am 2.11.1974 fand ein AC des Corps Hannoverania statt. Am Abend desselben Tages feierte das Corps sein l2üjähriges Traditionsfest im Weserschlößchen.
Dieser Abend ist in die Annalen des Corps eingegangen. Nicht nur aufgrund der Feierlichkeiten, sondern die Ereignisse des folgenden Tages und der folgenden Wochen haben Anlass dazu gegeben:

Der Festball war der Anlass für folgenschwere Intuitionen.

Der Frühschoppen am Tag nach den Festlichkeiten gehört zu den festen Bräuchen der Hannoveranen. Auf dem Weg zum Frühschoppen führte der Weg
unsere AHAH Manfred Deppe ei. Clabus und Hermann Ommen al. Bobbel über den Weserwall am Wahrzeichen der Stadt Nienburg, dem Stockturm, vorbei.
Beide konnten sich dem Vorwurf gegenüber der Eigentümerin, der Stadt Nienburg, nicht erwehren, dass sie den Turm in einem verwahrlosten
Zustand, dem Verfall freigegeben, vorfanden. Dieses Gebäude aus dem 13.Jahrhundert, geschichtsträchtig, in der bemerkenswerten Bauweise seiner
Zeit, stand ungenutzt. Dem Intellekt von Bauingenieuren und Architekten folgend, machten sich die beiden AHAH Gedanken über die Renovierung und
die damit verbundene Bewohnbarkeit des Gebäudes. Der Vorschlag, den Turm dementsprechend zu nutzen, fand auf dem Frühschoppen ein großes
Echo. Der Morgen wurde zu ausgiebigen Diskussionen des Problems genutzt. Noch am gleichen Tag wurde der AHP Manfred Vöckler al. Tacitus
informiert.

Schon am 4.11. 1974 erfolgte die Information des Schatzmeisters Karl—Heinz Wenzel al. Diogenes durch Manfred Deppe al. Clabus.

Am 5.11.1974 besichtigten auf Beschluss des AAH-Stamrntisches Hannover die AHAH Manfred Deppe al. Clabus, Gerhard Misol ei. Klack und Wilfried
Haller al. Piccolo den Turm. Ihrerseits wurde eine Renovierung fürdurchführbar befunden.

Am 3.12.1974, wiederum auf dem AH-Stammtisch in Hannover in der Gaststätte Wiener Wald am Thielenplatz, wurde eine Bauaufnahme des
Turmes sowie die anschließende Erstellung eines Entwurfes mit der voraussichtlichen Nutzung der Räume beschlossen. Weiterhin sollten
schon die Verhandlungen mit der Stadt Nienburg über die Renovierung aufgenommen werden. Die Stadt erklärte sich bereit, bei einer
Renovierung durch das Corps, den Turm der Verbindung zur Verfügung zu stellen.

Am 4.2.1975 - nur drei Monate nach dem Fest, wurde der
“Verein zur Erhaltung des Stockturmes und anderer unter Denkmalschutz stehender Gebäude in Nienburg/Weser e.V.“ Kurzforn ‘Stockturm e.V.“,
gegründet.



Artikel aus der Kreiszeitung "Die Harke" vom 18.2.1975
Unter der Auflage, eine effektive Zusammenarbeit zwischen dem Verein und dem Corps zu gewährleisten, sollte der Vorstand des Vereines nicht
identisch mit dem CC des Corps sein. An dem Tag wurden folgende AHAH in den Vorstand des Stockturm e.V. gewählt:

1. Vorsitzender :
Manfred Deppe al. Clabus aus Hannover

2. Vorsitzender :
Wilfried Haller al. Piccolo aus Nienburg

Schriftführer :
Wilfried Stefener al. Flamingo aus Minden

Schatzmeister :
Karl-Heinz Wenzel al. Diogenes aus Hannover
.

   

Ein geringer Teil der Arbeit war mit diesen Schritten erledigt. Welche große Mühe und welches unermüdliche Schaffen noch folgen sollten, wird diese Chronik wiedergeben, obwohl in Wort und in Schriftform nur ein Bruchteil der Realität, des Schweißes und der Willenskraft wiedergegeben kann, die zur Durchführung erforderlich waren.
Letztendlich führten jedoch alle Bemühungen dazu, das Corps Hannoverania bis zum heutigen Tag am Leben zu erhalten.

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